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Wo soll das „hingendern“?

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Gleichberechtigung und Diversität sind nur zwei Schlagwörter für einen Aufbruch in eine neue Gesellschaftsstruktur. Damit ist nicht gemeint, alles über den Haufen zu werfen, sondern Anpassungen zu machen, die es in sehr vielen Bereichen unseres Lebens vor etwa 50 Jahren in dieser Form nicht gegeben hat. Die Gründe dafür sind vielfältig. Tatsache ist aber, dass der gesellschaftliche Wandel die Sicht auf den Menschen, auf die Gesellschaft liberaler gemacht hat. Zumindest in unseren Breitengraden schauen wir genauer hin – und dürfen das auch. Das ist wichtig für die Stärkung schwacher oder besser gesagt bisher wenig beachteter Gruppen in unserer Gesellschaft. Andere Staaten gehen genau den umgekehrten Weg und genau deswegen sind Symbole, Bilder und Gegenbewegungen in unseren Breiten wichtig. Die gesellschaftliche Mitte bei uns wird immer breiter und sogenannte Randgruppen sollen mit symbolischen Markierungen gestärkt werden. Zumindest in Diskussionen und auf dem Papier.

 

Und genau das ist der springende Punkt oder Doppelpunkt oder hochgestelltes Sternchen. Mit diesen Markierungen werden manche gesellschaftlichen Gruppen hervorgehoben. Nun könnte man(n):frau:divers provokant fragen, ob dies nicht eben zu einer Verstärkung dieser Verschiedenheit führt oder es aufgrund der gesetzlich vorgesehenen Gleichstellung ein MUSS ist? Das sollte jeder:jede für sich beantworten ohne bei der Nichtverwendung von Gender_Gap, Genderstern*, Doppelpunkt: oder Binnen-I gleich der Diskriminierung anderer verdächtigt zu werden. Oft geht es dabei einfach gesagt pragmatisch um die Lesbarkeit von Texten. In vielen Unternehmen gibt es bereits Leitlinien für eine gendergerechte Kommunikation. Diese Leitlinien werden nach innen und außen stringent umgesetzt. Das ist für eine klare Positionierung gut und vermittelt eine starke Symbolkraft für die jeweiligen Unternehmen.

 

Ob dies aber am Ende etwas bewirkt oder nur Effekthascherei ist, muss jedes Unternehmen und damit verbunden jeder Unternehmer:in mit sich selbst ausmachen. Was genau meine ich damit? Jedes Jahr gibt es den Equal Pay Day. Der Equal Pay Day 2021 fiel österreichweit auf den 21. Februar, und er zeigt, dass die Unterschiede der Gehälter noch immer ein Geschlecht maßgeblich benachteiligen: Erhebliche 14,3 Prozent verdienen Frauen derzeit immer noch weniger als ihre männlichen Kollegen. Anderes Beispiel: Vollzeitstellen sind derzeit noch so ausgeschrieben, dass eine Teilbarkeit in zwei halbe Teilzeitstellen unvorstellbar sind. Warum? Welche Faktoren stecken dahinter und wie viele Frauen, die nur Teilzeit arbeiten können, bleiben auf der Strecke? Umgekehrt, wie viel Männer würden Teilzeit arbeiten, wenn Frauen die Chance hätten, in Vollzeit zu arbeiten? Für die Familienplanung wichtige Faktoren, da hilft eine gendersensible Sprache auch nicht wirklich. Ebenso hilft dies wenig bei der Integration von Menschen mit Behinderung. Genauso wenig bei Menschen, die wegen ihrer Sexualität ausgegrenzt werden. Auch nicht bei solchen, die ihre Religion nicht ausüben dürfen, oder bei Menschen mit Migrationshintergrund.

 

Die Bemühungen sind da, die Veränderungen teilweise sichtbar, aber der Weg zu einer völlig gleichberechtigten Gesellschaftsform ist noch sehr, sehr weit.

 

Am Ende gendern wir uns mit viel Aufwand zu Tode. Parallel ändert sich aber für jede:en einzelne:n nur wenig. Mir ist bewusst, dass an dieser Stelle die Bedeutung von Gendern nur verkürzt und vielleicht narrativ zu schmalspurig beleuchtet wird. Aber am Ende geht es mir um eine tatsächliche Gleichberechtigung nicht nur um die auf einem Stück Papier.

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